Hardt-Orgel in St. Nikolaus
Die von Hardt-Orgelbau (gegr. 1820) in Weilmünster-Möttau bei Weilburg/Lahn geschaffene Orgel wurde am 1. Februar 2004 geweiht.
Die erste Orgel in Niederhöchstadt wurde in der Vorgängerkirche, deren Ursprünge in gotischer Zeit lagen, 1804 von den Gebrüdern Bürgy, Homburg v.d.H. (heute: Bad Homburg) erbaut. Die zweite schuf 1898 Heinrich Voigt, Biebrich (heute: Wiesbaden-Biebrich), die dritte 1959 Eduard Wagenbach, Limburg, nachdem 1951 die heutige Kirche an der Stelle der alten errichtet worden war. Bauliche und klangliche Mängel sowie zunehmender Verschleiß machten Anfang der 2000er Jahre einen Neubau unumgänglich. Da gebrauchtes Pfeifenmaterial aus der Wagenbach-Orgel sowie einigen anderen aufgegebenen Instrumenten wiederverwendet werden konnte, gelang es die Kosten für das neue Instrument im Rahmen zu halten; trotz der mit 25 Registern respektablen Größe des Werkes.
Was ist ungewöhnlich an dieser Orgel?
Bei der Hardt-Orgel handelt es sich von der generellen Ausrichtung her um eine deutsch-romantische Orgel, die aber auch die Interpretation barocker oder französisch-romantischer Werke ermöglicht. Sie soll einerseits den Erfordernissen der Liturgie in vollem Umfang gerecht werden, andererseits aber auch als Konzertinstrument Verwendung finden. Um diese Aufgaben mit einem relativ beschränkten Registerfundus von 25 Stimmen erfüllen zu können, wurden bei der Konzeption und der Realisierung ungewöhnliche Wege beschritten.
Die Hardt-Orgel ist eine Schleifladenorgel, allerdings nicht wie üblich mit mechanischer Spieltraktur. Die Verbindung zwischen Taste und Pfeife wird hier elektronisch hergestellt, ebenso wie die Registersteuerung. Der Spieltisch befindet sich in einiger Entfernung von der Orgel mit Blick zum Alterraum auf der Empore. Die elektronische Steuerung ermöglicht weiter die Realisierung zahlreicher Transmissionen und Registerauszüge durch die die Ausnutzung des vorhandenen Pfeifenbestandes erheblich verbessert werden kann. Bei Transmissionen werden einzelne Register auch auf anderen Manualen spielbar gemacht, bei Auszügen geschieht dies um eine oder mehrere Oktaven versetzt. Dies kann am Beispiel des Registers "Bordun" verdeutlicht werden. In der 8'-Lage und ist das Register in allen Werken (Hauptwerk, Solowerk und Schwellwerk) vorhanden. Die 16'-Lage und die 4'-Lage sind ebenfalls in jedem Manual verfügbar (Auszüge) wobei der Bordun 16' bis in die tiefste Oktave voll ausgebaut ist. Im Pedal stehen Auszüge bis hin zum Bordun 1' zur Verfügung. Besonders im Pedal wurde von der Disponierung von Auszügen verstärkt Gebrauch gemacht. Der gesamte Registerbestand ist bei der Orgel überdies auf drei Manuale verteilt, was einen erheblichen Zuwachs an Spielmöglichkeiten bewirkt. Die zehn Register des dritten Manuals befinden sich einem starkwandigen Schwellkasten.
Ein weiteres Charakteristikum ist der umfangreiche Koppelapparat. Verfügt eine dreimanualige mechanische Schleifladenorgel üblicherweise über sechs Koppeln, so gibt es in der Hardt-Orgel 22 Koppeln, darunter zahlreiche Superoktavkoppeln und Suboktavkoppeln. Bei einer eingeschalteter Superoktavkoppel erklingen die gespielten Töne eine Oktave höher mit, bei einer Suboktavkoppel eine Oktave tiefer. Superoktavkoppeln geben dem Orgelklang zusätzliche Brillanz, Suboktavkoppeln bewirken einen Zuwachs an orchestraler Fülle. Kombiniert man die beiden Manual-16'-Register mit der Suboktavkoppel, steht sogar ein 32'-Register zur Verfügung. Das 32'-Register im Pedal ist ebenfalls für eine Orgel dieser Größe ungewöhnlich. Gebildet wird es durch einen Auszug aus dem Subbaß 16', der in der tiefsten Oktave durch eigene Pfeifen ergänzt wird. Dabei ist die unterste Oktave als "akkustisches" Register ausgestaltet, d. h. der 32'-Ton wird durch eine Kombination der Reihen 16' und 10 2/3' erzeugt. Bemerkenswert ist auch die Ausstattung der Orgel mit zwei Trompeten. Die Trompete 8' ist ein Register aus der alten Walcker-Orgel der Katharinen-Kirche zu Frankfurt. Sie klingt in neobarocker Tradition eher schlank und hell. Die zweite Trompete, das Register Tromba 8' wurde nach Vorbildern von Registern um 1900 neu gebaut. Die Tromba 8' zeichnet sich durch einen dunkel-kernigen Klang aus. Der Organist hat damit sowohl für die Interpretation barocker als auch romantischer Werke jeweils eine geeignete Trompete zur Verfügung. Der Streicherchor der Orgel, der insbesondere bei romantischer Musik zum Einsatz kommt, besteht aus den Registern Gambe 8', Salizional 8', Schwebung 8' (= Aeoline 8') und Fugara 4'. Mit dieser Disposition, die einschließlich der Auszüge (die durchaus als eigene Register betrachtet werden können) immerhin 35 Register umfasst, sind die meisten Orgelwerke, gleich welcher Epoche gut darstellbar. Ein Schwerpunkt liegt natürlich im Bereich der deutschen Romantik. Vor diesem Hintergrund findet das Orgelschaffen Max Regers bei der konzertanten Verwendung des Instruments besondere Beachtung.